Veröffentlicht: 04:44, 15. Feb. 2013 (CET) |
Stuttgart / Berlin (Deutschland), 15.02.2013 – Wie das „Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21“ mitteilte, haben der Sprecher des Aktionsbündnisses, Eisenhart von Loeper, und der ehemalige Vorsitzende Strafrichter beim Landgericht Stuttgart, Dieter Reicherter, bei der Staatsanwaltschaft Berlin Strafanzeige gegen die Bahnvorstände Rüdiger Grube und Volker Kefer gestellt. Das Aktionsbündnis wirft den beiden Vorstandsmitgliedern Untreue und Betrug vor. Sie hätten widerrechtlich Bauaufträge vergeben und den Aufsichtsrat nicht rechtzeitig über die Kostenexplosion beim Bahnprojekt „Stuttgart 21“ in Kenntnis gesetzt, teilte der Sprecher des Aktionsbündnisses mit. Nach seiner Einschätzung liegt „ein grob pflichtwidriges Verhalten des Vorstands vor“, sagte von Loeper der Stuttgarter Zeitung. Die Überschreitung des Kostenrahmens von 4,5 Milliarden Euro um bis zu 2,3 Milliarden Euro sei den beiden Bahnmanagern bereits seit dem 2. Juli 2012 bekannt gewesen. Sie hätten versäumt, bis zur Genehmigung der Mehrkosten durch den Aufsichtsrat einen Bau- und Vergabestopp anzuordnen. Dieses Verhalten erfülle den Straftatbestand der Untreue.
Die beiden Juristen bringen die Verzögerung bei der Weiterleitung des Wirtschaftsprüfungsgutachtens von Pricewaterhouse Coopers an den Aufsichtsrat auch in Verbindung mit den vorzeitigen Vertragsverlängerungen für Kefer im September und Grube im Dezember 2012. Diese Ansicht klingt auch in einem 15-seitigen Dossier aus dem Bundesverkehrsministerium an, das von Loeper und Reicherter vorliegen soll. „Bei rechtzeitiger Information durch den Vorstand“, heißt es darin, „hätte der Aufsichtsrat zudem diese Informationen bei seinen Entscheidungen über Vertragsverlängerungen … berücksichtigen können.“ Nach Ansicht von Loeper und Reicherter sei diese „Unterdrückung wahrer Tatsachen“ mit „Bereicherungsabsicht“ erfolgt, damit der Aufsichtsrat positiv zu den vorzeitigen Vertragsverlängerungen gestimmt gewesen sei. Außerdem sei ein Rechtsgutachten des Passauer Rechtsprofessors Urs Kramer „pflichtwidrig verschwiegen“ worden. In diesem Gutachten wurde unter anderem festgestellt, dass der Verkauf des Gleisvorfeldes an die Stadt Stuttgart unzulässig sei. Im „Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21“ sind die Regionalverbände von BUND, Pro Bahn und dem Verkehrsclub Deutschland sowie ein Kreisverband der Grünen, die „SPD-Mitglieder gegen S 21“ und der baden-württembergische Landesverband der Linken engagiert.
Bahn-Aufsichtsratsmitglied Alexander Kirchner schätzt die Chancen für einen Abbruch des Projektes inzwischen auf 50 Prozent. Dies sagte der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVS), der auf Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat des Staatskonzerns sitzt, am Montag im Deutschlandfunk. „Ein Augen-zu-und-durch kann es auf keinen Fall geben“, sagte Kirchner und verlangte, dass offen über Alternativen diskutiert werde. „Ein Abbruch kostet aus heutiger Sicht 2 Milliarden Euro – ohne dass man einen funktionsfähigen Bahnhofsknoten in Stuttgart hat“, stellte Kirchner fest und befürchtete: „Dann haben wir in Stuttgart einen Scherbenhaufen und für die nächsten zehn Jahre keinerlei Entwicklung in diesem Bereich.“ Deswegen stünden auch die von den Grünen regierte Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg in der Pflicht, nach einer Lösung zu suchen.
„Das Projekt rechnet sich schon jetzt nicht mehr und es wird mit großer Wahrscheinlichkeit noch teurer. Denn die eigentliche Bauphase würde Jahre dauern, damit steigt die Gefahr eines weiteren Kostenanstiegs“, zitierte am Rosenmontag die Berliner Morgenpost ein namentlich nicht genanntes Aufsichtsratsmitglied. „Wir müssen die Notbremse ziehen.“ Inzwischen wurde bekannt, dass sich der Bahn-Aufsichtsrat am 5. März mit der Finanzierung von Stuttgart 21 befassen soll.
Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn forderte angesichts der unsicheren Finanzierung des Projektes und der neuerlichen Diskussionen um seine Fortführung die Bahn auf, auf das Fällen von Bäumen vorerst zu verzichten.
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