Veröffentlicht: 18:03, 2. Nov. 2012 (CET) |
Frankfurt am Main (Deutschland), 02.11.2012 – Der Vergewaltigungsprozess gegen den Wetterunternehmer Jörg Kachelmann endete im Mai letzten Jahres mit einem Freispruch, der bald danach rechtskräftig wurde. Wer nun glaubte, damit sei der Fall Kachelmann erledigt, der irrte. Nicht nur, dass Kachelmann mit kräftiger Unterstützung seiner während des Mannheimer Verfahrens geehelichten Frau Miriam sein schon länger angekündigtes Buch (kurz vor der Frankfurter Buchmesse) veröffentlichte; der Wettermoderator hat mittlerweile auch eine Zivilklage gegen Claudia D. angestrengt, die ihn im Februar 2010 wegen Vergewaltigung anzeigte.
Der Gegenstand dieser Klage ist auffällig bescheiden. Rund 13.000 Euro möchte Kachelmann für Gutachterkosten von seiner möglichen Falschbeschuldigerin erstattet bekommen. Dass dieser Geldbetrag für ihn eine materielle Bedeutung hat, ist auszuschließen: Für Kachelmann kann es hier um nichts anderes gehen als eine mögliche Neubewertung seines Falles, denn mit der Urteilsbegründung der Mannheimer Richter haftet dem Wettermann der bedeutende Makel eines Freispruchs aus Mangel an Beweisen an. Damit ist seine Reputation als öffentliche Person so unvermeidbar beschädigt wie als Privatmensch. Umgekehrt sieht es etwas anders aus: Einer Erklärung von Claudia D.s Anwalt zufolge sieht sich diese auch materiell erheblich bedroht, was besonders nachvollziehbar ist, weil vielfach über noch weitergehende Schadenersatzforderungen von Seiten Kachelmanns, wie etwa Verdienstausfall, spekuliert wird. Aber auch für sie ist es natürlich genauso ein Kampf um ihr Ansehen wie für ihren Ex-Geliebten.
Der erste Verhandlungstag, vorgestern am Landgericht Frankfurt verlief unspektakulär, aber nach einem vertrauten Schema: Kachelmann mit seinem Verteidiger Schwenn plus eine neue Frankfurter Anwältin schon im Gerichtsaal, dann Einzug der Fotografenmeute zur intensiven Ablichtung. Beim Zivilprozess ist weder die Anwesenheit von Kläger noch Beklagten vorgeschrieben, aber das Gericht hatte für diesen Tag beide vorgeladen. So zog nun auch Claudia D. ein – mit großer Sonnenbrille und einer Perücke (wie Medienvertreter feststellten) –, was sie aber letztlich nicht vor den Kameras schützte. Nach dem Einzug des dreiköpfigen Richterkollegiums erfolgte der Auszug der Kameras. Fast genauso gesetzmäßig folgte dann direkt auf die Eröffnung durch den Vorsitzenden Richter der Auszug der etwa 40 Journalisten und Zuschauer.
Der Ausschluss von Öffentlichkeit und Berichterstattung ist ein bereits von Mannheimer Kachelmann-Prozesstagen gewohntes Prozedere. So ärgerlich dies ist, ist es noch nachvollziehbar, denn der erste Verhandlungstag war als sog. Güteverhandlung angelegt: Die Absicht der Richter war es offenbar, so unbefangen wie möglich die Möglichkeit einer gütlichen Einigung der Parteien auszuloten. Wie später am Tage bekanntgemacht wurde, scheiterte diese Option während des publikumsfreien Gesprächs. Nach Lage der Dinge ist also davon auszugehen, dass es nun richtig „zur Sache geht“. Ein Termin für den nächsten Prozesstag steht noch aus. Rechtskundige hatten bereits zuvor darüber spekuliert, wie umfänglich sich das weitere Verfahren gestaltet: Möglich wäre ein kurzer Prozess, in dem sich das Gericht bei seiner Entscheidungsfindung weitgehend auf die Mannheimer Prozessakten stützt. Genauso gut könnte es aber zu neuen Beweisanträgen und -erhebungen kommen, wofür weitere Prozesstage in Anspruch genommen würden.
Die Verhandlung endete mittags damit, dass Kachelmann den Gerichtssaal durch die Hintertür verließ, während die Kameras alle am Haupteingang warteten. Immerhin hatte er diesen bei seiner Ankunft am frühen Morgen gemeinsam mit seinem berühmt-berüchtigten Hamburger Anwalt per pedes durchschritten (aber zu spät für den Wikinews-Fotografen). Im Vorfeld hatten Frauengruppen zur Demonstration gegen Kachelmanns Thesen zum Thema Falschbeschuldigung aufgerufen; ein paar Aktivistinnen hatten sich daraufhin mit Plakaten am Eingang postiert, um gegen kachelnde Schlagwörter wie „Opferabo“ zu protestieren. Ulrich Warncke, ein Frankfurter Vertreter des Weißen Rings gab vor den Kameras sogar ein Statement ab, bei welchem er Kachelmann direkt vorwarf, seinen Freispruch 2. Klasse aufwerten zu wollen, indem er nachträglich versuche, die Geschichte „zu Lasten des Opfers zu klittern“.
Das Interesse der Öffentlichkeit an der Causa Kachelmann scheint mittlerweile merklich nachgelassen zu haben, und auch viele Journalisten sind vom Thema genervt, wie sie erklären. Dazu trägt Kachelmann selbst bei, indem er seine Verteidigungskampagne besonders in seinem Buch „Recht und Gerechtigkeit“ sogar noch über das Maß von jemandem übertreibt, dem man unterstellt, anerkanntermaßen Opfer einer Falschbeschuldigung geworden zu sein. Und seine Verallgemeinerungen stoßen nicht nur bei Feministinnen auf Widerspruch.
Generell scheint Kachelmann in der Öffentlichkeit nicht so glaubwürdig wahrgenommen zu werden, wie er es sich wünscht. Für „Recht und Gerechtigkeit“ entscheidend ist aber nur, ob der Fall Kachelmann durch eine Vergewaltigung ausgelöst wurde – oder durch eine Falschbeschuldigung. Der Zivilprozess könnte hier ein neues Licht auf die Geschehnisse werfen. Zivilgerichte sind prinzipiell unabhängig von Strafgerichten und deren Urteilen. Das Frankfurter Gericht kann also zu ganz anderen Ergebnissen kommen als die Mannheimer Strafkammer. So hat sich beispielsweise im Fall Harry Wörz das Blatt vollständig gewendet, als ein Zivilgericht zugunsten des rechtskräftig Verurteilten Wörz entschied, obwohl die Zivilklage hier sogar von der Gegenpartei ausging.
Noch wagt niemand eine Prognose, was der Zivilprozess im undurchsichtigen Fall Kachelmann als Ergebnis haben wird. Fest steht aber: Die Beweislast liegt hier bei Kachelmann. Der Grund für Frankfurt als Gerichtsort liegt übrigens darin, dass Kachelmann am Frankfurter Flughafen festgenommen wurde.
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